Seit 2024 unterstützt das PFI verschiedene Aktivitäten im Kontext laufender Prozesse um „Schwierige Erinnerungen und Dekolonialisierung in Portugal“. Ziel ist die Förderung einer kritischen Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit, verbunden mit einer Dekolonisierung des Geistes, des Wissens und der Praktiken, bezogen sowohl auf Praktiken des Verdrängens, Verschweigens und selektiven Erinnerns im öffentlichen Diskurs wie auch auf koloniale Kontinuitäten in Form von Rassismus und Diskriminierung. Bis heute sind in Portugal Erinnerungsdiskurse und öffentliche Debatten über die Vergangenheit von der Sehnsucht nach dem kolonialen Imperium geprägt.
Portugal besetzte infolge imperialer Eroberungsreisen fast fünf Jahrhunderte lang verschiedene Territorien und Länder in Afrika, Südamerika und Asien. Das Jahr 2024 markierte den 50. Jahrestag der Befreiung Portugals vom Faschismus durch die MFA (Movimento das Forças Armadas), die “Bewegung der Streitkräfte“, die nach 13 Jahren Kolonialkrieg erkannt hatten, dass Portugal die Kämpfe in Angola, Mozambique und Guinea-Bissau nicht gewinnen konnte. Ein Jahr nach dem Ende der faschistischen Diktatur, im Jahr 1975, erlangten die meisten portugiesischen Kolonien ihre Unabhängigkeit. Heute, 50 Jahre später, wird eine kritische Erinnerungsarbeit in Portugal in weiten Teilen der Politik und der öffentlichen Institutionen als unnötig oder unbequem erachtet. Einige Gedenkstädten und Museen begannen jedoch in den letzten Jahren eine kritische Reflexion über ihre Koloniale Vergangenheit anzuregen. Eine Debatte um die gewaltvolle Kolonialvergangenheit wird öffentlich und auch im familiären Rahmen meist abgewehrt. Der Historiker Miguel Cardina (2023) spricht von einer historischen Amnesie. Es sind vor allem Teile der Zivilgesellschaft, die eine intensive Erinnerungsarbeit vorantreiben. Die Impulse für eine kritische Aufarbeitung kommen stark von jüngeren Generationen, von Afrodeszendenten, von Aktivist*innen und aus zahlreichen Forschungsprojekten und Publikationen von Akademiker*innen und Künstler*innen. Sie fordern eine Dekolonialisierung in einer Gesellschaft in der, wie in allen ehemaligen europäischen Kolonialstaaten, Rassismus und Ausgrenzung weit verbreitet sind.
Ausgehend von den jahrelangen Erfahrungen des PFI mit der Eröffnung von Dialogräumen im Kontext der Erinnerung an Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika und Deutschland, unterstützt unter anderem das PFI seine Partner in Portugal seit 2024 dabei, Dialoge zwischen verschiedenen Generationen und verschiedenen Teilen der Gesellschaft zu fördern. Etwa zwischen Mitarbeitenden aus Institutionen wie Museen und Gedenkstätten, Lehrer*innen, ehemaligen Militärs Akademiker*innen, Künstler*innen, und Aktivist*innen, wobei es oft vor allem afrodeszendente Teilnehmende aus den drei letzten Gruppen sind, die bei diesen Dialogen zentrale Impulse geben.
Vertiefende Informationen zum Kontext der Dekolonialisierung in Portugal (pdf)
Partner
PLANO NACIONAL DAS ARTES (PNA) - Portugal
Sara Brighenti: sarabrighenti(a)pna.gov.pt
ASSOCIAÇÃO DOS PROFESSORES DE HISTÓRIA (APH) - Portugal
Miguel Monteiro Barros: mmonteirob(a)gmail.com
Verschiedene Akademiker*innen, Künstler*innen und Museen in Portugal und Deutschland
Sophie Kotanyi: sophiekotanyi(a)paulofreireberlin.org